Fotografie

Das Bißchen Ruhm

Was ähnelt wohl dem bißchen Ruhme
So sehr wie eine Treibhausblume?
Soll dir das arme Pflänzchen sprießen,
Mußt du es täglich brav begießen.
Und Dünger streun. Und Unkraut jäten.
Aufs Wetter sehn. Und leise treten.
Doch pfeifst du drauf, so wirst du nie
Gekrönt von der A-ka-de-mie.

aus: Die paar leuchtenden Jahre

von Mascha Kaléko

Berlin,Deutschland

modernes Berlin

Langschläfers Morgenlied

Der Wecker surrt. Das alberne Geknatter
Reißt mir das schönste Stück des Traums entzwei.
Ein fleißig Radio übt schon sein Geschnatter.
Pitt äußert, daß es Zeit zum Aufstehn sei.

Mir ist vor Frühaufstehern immer bange.
… Das können keine wackern Männer sein:
Ein guter Mensch schläft meistens gern und lange.
– Ich bild mir diesbezüglich etwas ein …

Das mit der goldgeschmückten Morgenstunde
Hat sicher nur das Lesebuch erdacht.
Ich ruhe sanft. – Aus einem kühlen Grunde:
Ich hab mir niemals was aus Gold gemacht.

Der Wecker surrt. Pitt malt in düstern Sätzen
Der Faulheit Wirkung auf den Lebenslauf.
Durchs Fenster hört man schon die Autos hetzen.
– Ein warmes Bett ist nicht zu unterschätzen.
… Und dennoch steht man alle Morgen auf.

aus: Das lyrische Stenogrammheft

von Mascha Kaléko

Berlin,Deutschland

Rezept

Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.
Für die paar Jahre
Wird wohl alles noch reichen.
Das Brot im Kasten
Und der Anzug im Schrank.

Sage nicht mein.
Es ist dir alles geliehen.
Lebe auf Zeit und sieh,
Wie wenig du brauchst.
Richte dich ein.
Und halte den Koffer bereit.

Es ist wahr, was sie sagen:
Was kommen muß, kommt.
Geh dem Leid nicht entgegen.
Und ist es da,
Sieh ihm still ins Gesicht.
Es ist vergänglich wie Glück.

Erwarte nichts.
Und hüte besorgt dein Geheimnis.
Auch der Bruder verrät,
Geht es um dich oder ihn.
Den eignen Schatten nimm
Zum Weggefährten.

Feg deine Stube wohl.
Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn.
Flicke heiter den Zaun
Und auch die Glocke am Tor.
Die Wunde in dir halte wach
Unter dem Dach im Einstweilen.

Zerreiß deine Pläne. Sei klug
Und halte dich an Wunder.
Sie sind lang schon verzeichnet
Im grossen Plan.
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.

von Mascha Kaléko

aus: Die paar leuchtenden Jahre

Barcelona,Spanien

„Take it easy!


Tehk it ih-sie, sagen sie dir.
Noch dazu auf englisch.
„Nimm’s auf die leichte Schulter!“
Doch, du hast zwei.
Nimm’s auf die leichte.
Ich folgte diesem populären
Humanitären Imperativ.
Und wurde schief.
Weil es die andre Schulter
Auch noch gibt.
Man muß sich also leider doch bequemen,
Es manchmal auf die schwerere zu nehmen.

Mascha Kaléko

(gebürtig Golda Malka Aufen, geboren am 7. Juni 1907 in Chrzanów, Galizien, Österreich-Ungarn, heute Woiwodschaft Kleinpolen, Polen; gestorben am 21. Januar 1975 in Zürich, Schweiz) 

Barcelona,Spanien