Ich habe dich so lieb

Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.

Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.

Vorbei – verjährt –
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
Ist leise.

Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.

Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache 
An einem Sieb.

Ich habe dich so lieb.

Joachim Ringelnatz

(* 7. August 1883 in Wurzen als Hans Gustav Bötticher; † 17. November 1934 in Berlin)

Barcelona,Spanien

In der Fremde

Schon bin ich müd zu reisen,
Wärs doch damit am Rand!
Vor Hören und vor Sehen
Vergeht mir der Verstand.

So willst du denn nach Hause?
Ach nein, nur nicht nach Haus!
Dort stirbt des Lebens Leben
Im Einerlei mir aus.

Wo also willst du weilen,
Wo findest du die Rast,
Wenn übrall du nur Fremde,
Die Heimat nirgend hast.

Franz Seraphicus Grillparzer

(* 15. Jänner 1791 in Wien; † 21. Jänner 1872 ebenda) 

Barcelona ,Spanien