Sagrada Familia 2

Unterm weißen Baume sitzend 

Unterm weißen Baume sitzend, 
Hörst du fern die Winde schrillen, 
Siehst, wie oben stumme Wolken
Sich in Nebeldecken hüllen; 

Siehst, wie unten ausgestorben 
Wald und Flur, wie kahl geschoren; – 
Um dich Winter, in dir Winter, 
Und dein Herz ist eingefroren. 

Plötzlich fallen auf dich nieder 
Weiße Flocken, und verdrossen
Meinst du schon, mit Schneegestöber 
Hab der Baum dich übergossen. 

Doch es ist kein Schneegestöber, 
Merkst es bald mit freudgem Schrecken; 
Duftge Frühlingsblüten sind es, 
Die dich necken und bedecken. 

Welch ein schauersüßer Zauber! 
Winter wandelt sich in Maie, 
Schnee verwandelt sich in Blüten, 
Und dein Herz es liebt aufs neue.

von Heinrich Heine

Barcelona ,Spanien

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